Gruppendynamik: Automatisch und Jederzeit

Gruppendynamik passiert immer - Artikel Docatwork

Keine Angst vor Andersartigkeit

Gruppendynamik entsteht ganz von selbst. Guido Lysk, Karriere- und Managementberater, beobachtet das Phänomen bereits seit vielen Jahren und weiß zu berichten:

Sobald mindestens zwei Personen aufeinandertreffen, zündet die Dynamik.

 

Was versteht man unter Gruppendynamik? Was ist das?

Gruppendynamik bezeichnet die Wechselwirkung zwischen mindestens zwei Personen, die sich in bestimmter Weise verhalten und interagieren. Dazu gehört sowohl das aktive als auch das passive Verhalten. In jeder Gruppe entstehen bestimmte Dynamiken, die sich erst in dieser besagten Gruppe herausbilden. Man unterscheidet hier zwischen festen Gruppen und flexiblen Gruppen.

Eine Gruppe ist beispielsweise dann flexibel, wenn ein weiterer Akteur dazu kommt. In dem Moment entsteht eine völlig neue Dynamik. Das führt nicht selten dazu, dass sich die Rollen innerhalb der Gruppe neu verteilen. Gruppendynamik ist ein sehr komplexes, vielfältiges Thema und beschreibt die sozialen Beziehungen und das Verhalten zwischen verschiedenen Personen.

 

Wie entsteht Gruppendynamik? Was ist das Prinzip? Welche Mechanismen werden in Gang gesetzt?

Fakt ist: Menschen stehen immer in einer Beziehung zueinander und können ausnahmslos nicht, nicht auf einander reagieren. Jeder zeigt eine Reaktion. Auch eine Zurückhaltung ist eine Reaktion. Oder eine aktive Aggression. Selbst eine Neutralität. Wir befinden uns immer innerhalb gruppendynamischer Prozesse, allerdings ist dies den meisten Menschen nicht bewusst.

In der Arbeitswelt sieht es natürlich nicht anders aus. Hier arbeiten Menschen miteinander. Kollegen, die entweder gleichgestellt, über- oder untergeordnet sind und in den Arbeitsprozessen zweifellos voneinander abhängig sind.

Menschen übernehmen sofort ihre bestimmte Rolle

Das wiederum setzt Kommunikations- und Beziehungsprozesse in Gang, die sich im schlechtesten, aber leider auch nicht seltenen Fall, in Konflikten äußern. Sowohl positive als auch negative Beziehungen entstehen – ganz unweigerlich.

Unterschiedliche Dynamiken führen dazu, warum Menschen in bestimmten Situationen das eine oder das andere Verhalten zeigen. Jedes Verhalten wiederum, löst eine bestimmte Reaktion beim anderen aus. Beim Konkurrenzverhalten bspw. reagiert  der andere immer kontrovers auf das ihm entgegengebrachte Verhalten. Ist der eine nett, reagiert der andere garstig. Und umgekehrt.

Individuelle Haltung

Jeder Mensch hat seine eigene und persönliche Art, auf eine bestimmte Haltung seines Gegenübers zu reagieren. Und diese Reaktionen können sich unter bestimmten Bedingungen auch wieder unterscheiden. Das ganze System ist derart komplex und relativ schwer erklärbar, wie Wirkungsweisen funktionieren.

 

Gibt es Rollen, die immer besetzt werden in so einem Gruppendynamischen Prozess?

Ja. Es gibt ganz klassische Rollen, die in jeder Gruppenkonstellation immer wieder besetzt werden. Nehmen wir das schöne Beispiel des Schulklassenverbunds. Wir erinnern uns: In jeder Klasse wurden bestimmte Rollen besetzt. Es gab z.B. häufig

  • die Rolle des Strebers
  • die Rolle der Kleinen, der Süßen
  • die Rolle des Verlierers
  • die Rolle des Clowns
  • die Rolle des Emotionalen
  • die Rolle des Revoluzzers
  • die Rolle der Emanzipierten
  • die Rolle desjenigen, der immer gegen alles war

Dieses rollendynamische Spiel findet sich übrigens in dem Buch „Dynamik in Gruppen“ von Eberhard Stahl wieder, der das Paradebeispiel anschaulich für die Erklärung von dynamischen Gruppen einsetzt.

Buch Tipp: „Dynamik in Gruppen“

Das Vorwort dieses Buches stammt übrigens von Deutschlands Kommunikationspapst „Schulz von Thun“. Darin heißt es, er würde sich wünschen, dass dieses Buch zukünftig Bestandteil des Lehrplans für jede Schule wird. Damit alle Kinder, die sich in Gruppendynamiken bewegen, sofort erkennen, in welcher Rolle sie selbst aber auch die Mitschüler sind und welche Dynamik gerade entsteht. Wenn man dieses Verständnis bereits als Kind entwickelt, können später viele teure Coaching Stunden eingespart werden. Dann haben wir verstanden, wie die für uns so wichtigen dynamische Prozesse in Gruppen funktionieren. Wir können dann auf der Meta-Ebene agieren und bewerten und bleiben nicht hängen bei „ich mag ihn oder ich mag ihn nicht“. Wenn wir dieses Verständnis nicht entwickeln, reagieren wir auf das, was gerade passiert, weiterhin so, wie wir das immer getan haben: vielleicht mit Geschrei oder Zurückhaltung, mit Ignoranz oder Verweigerung.

Ein wirklich tolles Buch, was zur Allgemeinbildung gehören müsste.

 

Ab welcher Gruppengröße entsteht diese Dynamik?

Ganz simple. Gruppendynamik kann bereits ab zwei Personen entstehen.

 

Welche Theorien gibt es zu diesem Thema?

Eberhard Stahl hat ein Modell dazu entwickelt: Die fünf Phasen der Gruppendynamik

  • Forming = ich bring euch zusammen,
  • Storming = es gibt Ärger und Krach jeder sieht es anders…
  • Norming = es werden Regeln aufgestellt
  • Performing = Entwicklung: hier können wir unsere Leistung erbringen
  • Reforming = Lernen durch Wiederholung – immer wieder neu machen

In der gruppendynamischen Entwicklung muss man genau diese Prozesse immer wieder durchleben und bearbeiten, um ein Team voranzubringen und weiterzuentwickeln.

 

Gibt es eine Handlungsanleitung? Wie kann ich als Führungskraft darauf einwirken?

Zunächst schaut man genau auf die Konflikte, die während der Storming-Phase bei den einzelnen Personen entstehen. Um was geht es hier? Was war der Auslöser? Was ärgert die betroffenen Personen wirklich? Oftmals geht es im Kern gar nicht um den eigentlichen Job.

So oder so ist jedes Gruppenmitglied aufgefordert, sich selbst zu hinterfragen und zu analysieren, was genau zur Verärgerung geführt hat.

Als Teamleiter kann ich durch den Einsatz bewährter Fragetechniken versuchen, den jeweiligen Mitarbeiter dabei zu unterstützen, die Hintergründe zu verstehen und herauszufinden, welche Mechanismen gewirkt haben und wo es hakt.

Gefragt ist Reflektion und Selbstanalyse

Voraussetzung ist allerdings die Bereitschaft aller Beteiligten zur Reflektion und Selbstanalyse. Sind sie selbst mit ihrer Haltung vielleicht Teil des Konfliktes? Was lösen ihre Verhaltensweisen bei den Kollegen aus? Warum, beispielsweise, reagiert mein Gegenüber immer so ablehnend, wenn ich einen Vorschlag unterbreite. Liegt es evtl. an meiner gewissen forschen Art, die die andere, eher zurückhaltende, Person kaum zu Wort kommen lässt?

Oder sind es doch äußere Merkmale, die eine gewisse Reaktion beim Andern auslöst? In dem Fall ist der Andere gefragt, schnellstmöglich den Reflektionsprozess einzuleiten und sich mit seinen persönlichen Triggerpunkten auseinander zu setzen.

 

Ist Gruppendynamik steuerbar?

Sehr schwer. Dafür ist das Thema viel zu komplex. Es ist leider nicht so, dass Reaktionen der einen Person auf ein bestimmtes Verhalten einer anderen vorhersehbar sind. Jedenfalls nicht automatisch.

Aber ich würde vorsichtig behaupten wollen, dass Gruppendynamik in einem gewissen Rahmen, begrenzt steuerbar ist. Es gibt auch gruppendynamische Prozesse, die man durch sehr viel Komplexität zum Fliegen bringen kann. Im positiven wie im negativen.

 Beispiel Unternehmensfusion

Wir nehmen an: zwei branchengleiche Unternehmen fusionieren und die Abteilungen werden zusammengelegt. In dem Moment entstehen naturgemäß zwei Gruppen oder besser gesagt, zwei Fronten:

  • Die Alten und die Neuen. Je nachdem wer, wen gekauft hat, ist dieser automatisch der Überlegene (Käufer)
  • Der andere entsprechend der Unterlegene (Verkäufer).

Dadurch werden Rollen vergeben. Ich werde als Käufer vielleicht immer ausstrahlen, dass ich der bessere bin. Und der Verkäufer wird nichts unterlassen, mir zu zeigen, dass ich genau das nicht bin. Das ganze Procedere läuft in der Regel auf der unbewussten Ebene ab. Und schon ist der Prozess der Gruppendynamik im vollen Gange. Konflikte sind vorprogrammiert. In diesem Fall heißt die Dynamik: wenn du mir zeigen willst, dass ich ein Idiot bin, dann zeige ich dir, dass es sich hier genau umgekehrt verhält.

Bewusste Dynamik auslösen

Das bedeutet also – ja! Wir können durch diese Vorgehensweise/Verhaltensweise Prozesse und Konflikte gesteuert auslösen. Umgekehrt heißt es aber auch: wir können bewusst eine Dynamik einsteuern, bei der wir uns gegenseitig helfen, miteinander arbeiten und am selben Strang ziehen.

Ich kann allerdings erst dann bewusst dynamisieren, wenn ich erkannt habe, wo die jeweiligen Präferenzen liegen. Und ich muss verstanden haben, mit was für einem Typ Mensch ich es hier zu tun habe. Erst durch diese Kenntnisse habe ich die Möglichkeit, gezielt auf mein Gegenüber einzugehen und einzuwirken. Ich weiß ihn dann z.B. in bestimmten Prozessen besser zu motivieren.

 

Welche Aspekte spielen bei Gruppendynamik noch eine Rolle?

Eine weitere Form von Dynamik entsteht, wenn eine höhere Instanz einen Auftrag erteilt, wie mit dem Team zukünftig umgegangen werden soll.

Sagt er: „Sieh zu, dass die ganzen Pfeifen in zwei Jahren nicht mehr auf ihren Plätzen sitzen“ oder sagt er „wir werden die Mitarbeiter im Unternehmen zukünftig nach objektiver Leistungsfähigkeit bewerten und die Positionen entsprechend besetzen – ganz egal aus welchem Unternehmen der Mitarbeiter ursprünglich stammt“. Zwei Mitarbeiter sitzen auf derselben Position und kämpfen fortan darum, am Ende derjenige zu sein, der übernommen wird. Man kann sich vorstellen, welche Dynamiken ausgelöst werden können, wenn solch ein Prozess in Gang gesetzt wird. Beide Kollegen müssen eine Familie ernähren und beide wollen den Job.

Mit meinem Team habe ich z.B. vereinbart, dass die Rekruiter eine Umsatzprovision erhalten. Egal, wer den Umsatz erbracht hat. Alternativ hätte es auch heißen können: „nur derjenige, der den Umsatz einfährt, bekommt die Provision“.

 Äußere und innere Umstände beeinflussen Dynamiken

Mit diesen Beispielen möchte ich verdeutlichen: es geht bei Gruppenspezifischen Dynamiken immer auch um die Bedingungen, die von außen geschaffen werden.

Darüber hinaus ist allerdings auch die Erkenntnis wichtig, dass Jeder selbst, Teil der jeweiligen Gruppendynamik ist und damit in der Lage, bei seinem Gegenüber Dynamiken auszulösen. Jeder kann für sich entscheiden, ob er sich als Spielball sieht oder als Akteur im Steuermechanismus. Oder das Spiel mitzuspielen – das allerdings nur begrenzt.

 

Fazit:

Selbstreflektion ist die Basis dafür, um in Gruppendynamiken zu bestehen. Entweder ich bin in der Lage, mich selbst zu reflektieren und zu verstehen oder jemand hilft mir dabei. Das könnten dann z.B Coaches oder Mentoren sein, die helfen, die Gruppe weiterzuentwickeln.