Hirn und Herz – Wann Manager diese Kombi beherzigen sollten

Der Manager hat den Titel, der Leader die Mannschaft

Diese Aussage kommt nicht von ungefähr. Ein berühmtes Beispiel dafür ist wohl der unkonventionelle Führungsstil des Fußballtrainers Jürgen Klopp. Seine legendären Erfolgs-geschichten sind hinreichend bekannt. Erst in Dortmund und zuletzt auch in Liverpool schaffte er es auf seine ganz eigene, nicht ganz unumstrittene, extrem emotionale Art und Weise, die Mannschaften auf die Top-Plätze zu katapultieren.

 

Sein Rezept: Neben fachlicher Kompetenz, Kommunikationsstärke und einem starken Willen, eben auch unverblümt seine Emotionen zu zeigen und in die Arbeit einzubinden. Er schafft es wie kein Zweiter seiner Mannschaft das Gefühl zu vermitteln, ihm gnadenlos vertrauen zu können. Klopp weiß genau mit seinen Gefühlen umzugehen; witzig zu sein, auch mal traurig oder seinen Ärger zu zeigen. Durch seine Offenheit, verbunden mit Ehrlichkeit und Authentizität.

Jürgen Klopp handelt sicherlich seit jeher instinktiv und aus völligem Selbstverständnis heraus. Und bestimmt folgte er auch niemals irgendeiner Lehre über kluge Führungs- oder Managementstrategien. Intuitiv und aus rein intrinsischen Motiven heraus trifft er mit seiner unkonventionellen Art zielsicher den Nerv der Zeit.

Gängige Führungsmethoden der Top-Manager

Auf den typischen Führungsetagen der deutschen Wirtschaft hingegen prägt seit langem eine ganz andere Theorie das Handeln der Top-Manager. Fredmund Malik gilt seit Generationen als DER Pabst des Managens. Er ist Wirtschaftswissenschaftler, der als Professor an der Universität St. Gallen unterrichtete. Gelehrt wurde nach seiner „Bibel“ die den Titel „Führen, Leben, Leisten“ trägt.

Noch im Jahr 2000 vertrat er die These, „lernende Organisationen, emotionale Intelligenz und Charisma im Management sei Scharlatanerie und Transzendentalunfug“. (*Quelle: DIE ZEIT, 25/2000) Nur mit fundiertem Handwerkszeug, wie eine wirkungsvolle Arbeitstechnik für effizientes Durchsetzen von Zielen und optimales Einsetzen von Mitarbeitern, sei ein Unternehmen auf Dauer erfolgreich zu managen. Er war der dringlichen Meinung, dass Emotionen auf der Arbeit nichts zu suchen haben. Im Job sei man bitte sachlich orientiert – Emotionen bleiben gefälligst Zuhause im privaten Bereich. Dieser Grundsatz beschreibt den wesentlichen Pfeiler seiner Theorie über professionelles Managen. Hier geht es im Kern um Zahlen, Daten, Fakten. Es geht um termingerechtes Leisten und Liefern, Pünktlichkeit im Allgemeinen, Fordern und Fördern und natürlich auch um das Ziehen von Konsequenzen.

Malik greift zu kurz

Das ist auch alles gar nicht unrichtig und auch wichtig, aber m. E. greift Malik mit seiner These hier deutlich zu kurz. Vor allem in der heutigen Zeit. Längst vorbei ist die Annahme, eine starke Führungsperson muss immer sachlich und fachlich korrekt sein, ohne jemals Fehler zu machen, geschweige denn, diese vor seinen Mitarbeitern zuzugeben.

Was noch vor einigen Jahren als Esoterik-Humbug abgewunken wurde, gilt heute als zeitgemäßer und motivierender Führungsstil. Denn: Im heutigen Wertesystem ist es viel bedeutender, die Mannschaft hinter sich zu bringen und sie zu Höchstleistungen zu motivieren. Und das freiwillig und ehrlich. In dem Moment spricht man von Leadership.
Dazu gehört authentisches Auftreten, welches eng mit dem Zeigen von Gefühlen verknüpft ist. Aber bitte nicht verwechseln: Es geht nicht darum, seine Emotionen dem Mitarbeiter ungefiltert vor den Latz zu schmettern, egal ob es sich um Wut, Glück, Trauer oder Verletzung handelt. Es geht eher darum, sich seiner Gefühle und seines daraus resultierenden Verhaltens bewusst zu sein und damit auch verantwortungsbewusst und angemessen, sprich wohldosiert, umzugehen. Genauso wichtig ist es, mit den Gefühlen seines Gegenübers umgehen zu können. Sie zunächst einmal wahrzunehmen, den ihnen zustehenden Raum zu geben, und natürlich auch situationsbedingt einordnen zu können.

Selbstreflektion ist gefragt

Leider fliegt dieses Bewusstsein beim Aufstieg der Karriereleiter nicht automatisch ins Kompetenz-Portfolio einer Führungskraft. Um ihrerseits diese Fähigkeit zu beherrschen, ist ein hohes Maß an Selbstreflexion, emotionaler Intelligenz und Empathie von Nöten.
Ausgestattet mit dieser Eignung und persönlich erlangten Erfahrungen, ist die jeweilige Führungskraft auf Sicht immer besser in der Lage, das Verhalten der Mitarbeiter einzuschätzen, sie bei Bedarf abzuholen und durch den entsprechenden Gefühlsprozess zu lotsen. Auch wenn die Gefühle des Kollegen im ersten Moment an der Stelle als unpassend eingestuft werden, ist es hilfreich, diesen Gefühlen ausreichend Raum zu geben, damit sich der betroffene Kollege in seiner persönlichen Situation wahr- und ernst genommen fühlt. Er wird sich dadurch besser fühlen und anschließend wieder frei und produktiv weiterarbeiten können.

Frei nach dem Motto von Kommunikationspapst Friedemann Schulz von Thun: „Willst du eine gute Führungskraft sein, schau erstmal in dich selbst hinein.“

Ein Führungsstil, der ins gleiche Horn bläst, ist die Theorie des amerikanischen Psychologen und Autors Daniel Goleman. Sein Buch, „Emotionale Intelligenz“ ist ein Bestseller und bereits Mitte der 1990er Jahre erschienen. Im Kern handelt es von den „vier Dimensionen der emotionalen Intelligenz“.

  1. Selbstwahrnehmung
    Sich auf den Weg der „Selbstanalyse“ zu machen, ist sicherlich eine der schwierigsten Aufgaben, die es zu bewältigen gilt. Gleichzeitig wird hiermit das notwendige Fundament für den gewünschten Erfolg gelegt. Der Leader bringt den notwendigen Mut auf, sich mit seiner eigenen Person zu beschäftigen und auseinanderzusetzen. Er schaut in sich hinein und lernt seine persönlichen Eigenschaften und Merkmale, samt Stärken und Schwächen kennen. Das führt automatisch dazu, eine Selbstwahrnehmung zu entwickeln. Das heißt, er lernt darüber hinaus, seine Emotionen zu erkennen, diese einzuordnen und sich deren Wirkung bewusst zu sein. Er zeigt sie, ganz menschlich und selbstverständlich und ohne seine Umwelt damit zu erschrecken oder zu überfordern. Er kennt seine Grenzen und Stärken. Und das spiegelt er in einem gewissen Selbstvertrauen wieder, weil er diesen Wert kennt und auch weiß, seine Fähigkeiten bewusst einzusetzen.
  2. Selbstmanagement
    Hier geht es in erster Linie um den gezielten Umgang mit den eigenen Emotionen. Wer die emotionale Selbstkontrolle beherrscht, ist in der Lage, neben seinen positiven auch die negativen Emotionen und Impulse zu kontrollieren. Sie zuzulassen und eben nicht einfach zu negieren, weil „man das nicht tut“. Das bedeutet natürlich nicht , seinen emotionalen Müll ungefiltert über den Köpfen der Kollegen auszuschütten. Es geht darum, Emotionen aufrichtig, intuitiv, vertrauenswürdig und vor allem sowohl selektiert als auch in homöopathischer Dosierung einzusetzen. Hinzu kommt die Fähigkeit, einschätzen zu können, wem, in welcher Situation, welches Verhalten entgegengebracht werden kann. Das wiederum versetzt ihn in die Situation, seine Verhaltensweisen selbstständig regulieren zu können.
  3. Soziales Bewusstsein
    Hinter der sozialen Kompetenz versteckt sich primär das empathische Wahrnehmungsvermögen. Mit sich selbst, im Umgang mit anderen, in der Zusammenarbeit oder auch im Führen von Mitarbeitern. Die Person versteht es immer besser, ihren Mitarbeiter und Kollegen aufmerksam und aktiv zuzuhören, sie sowohl in Gesprächen als auch in Konflikten intensiv wahrzunehmen und echtes Interesse zu zeigen. Dadurch fühlen sie sich wertgeschätzt, respektiert und anerkannt. Mit der gleichen intensiven Aufmerksamkeit setzt sich die Führungskraft mit vorhandenen Interessensgruppen der Organisation, wie bspw. dem Betriebsrat oder der Werksleitung auseinander, und weiß um die jeweiligen Belange und ungeschriebenen Gesetze. Ihr ist es wichtig, deren Anliegen und Bedürfnisse kennen und verstehen zu lernen, sie mitzunehmen und in ihre Tätigkeiten einzubeziehen. Nicht zuletzt auch deshalb, um Auswirkungen auf ihr Tätigkeitsfeld möglichst positiv zu gestalten und die Bedürfnisse zu erfüllen. Zu den wichtigsten Teilkompetenzen gehört, neben Konfliktmanagement und Kritikfähigkeit, die grundsätzliche Fähigkeit bewusst kommunizieren zu können.
  4. Beziehungsmanagement
    Die höchste Stufe dieser vier Elemente der emotionalen Intelligenz ist das Beziehungsmanagement. Hier geht es vor allem darum, auf Basis der ersten drei Dimensionen, tragfähige Beziehungen im gesamten Betrieb herzustellen. Dies betrifft Abteilungen, wie die Produktion, Werksleitung, Personalabteilung, Betriebsrat und alle sonstigen Mitarbeiter und die Kollegen aus dem Führungskreis.
    Ganz oben auf der Liste steht, natürlich nicht ganz überraschend, das eigene Team: Die Beziehung zu seinen Mitarbeitern zeichnet sich in erster Linie durch eine möglichst inspirierende Führung aus, deren primäre Aufgabe es ist, die individuellen Talente der Kollegen zu erkennen und zu fördern.
    Eine beliebte Taktik ist z. B. das Feedback. Hier werden Menschen mit ihren vorhandenen Fähigkeiten durch klares und eindeutiges Feedback besser angeleitet, gestärkt und unterstützt. Oder ihnen wird damit auch eine klare Richtung gegeben. Des Weiteren geht es in Punkto Führung auch darum, Veränderungs- und Entwicklungsprozesse zu initiieren oder sich im Thema Konfliktmanagement zu üben und für alle anwendbar zu machen. Grundsätzlich gilt es als hilfreich, Konflikte als Chance und Bereicherung zu begreifen. Sich dem Thema positiv zu nähern und mehr noch, sich sogar über andersdenkende Menschen zu freuen. Denn nur so entsteht Raum für etwas Neues. Durch gegenseitiges Verständnis füreinander und konstruktives Ausloten der Möglichkeiten entstehen die besten Ideen für neue Lösungsansätze. Davor sollte man keine Angst haben, sondern aktiv und mit Freude und Mut in den Konflikt marschieren und die Herausforderungen offen annehmen.
    Natürlich immer mit dem Ziel vor Augen, am Ende gemeinschaftlich und im Team die beste Lösung erarbeitet zu haben.

Königsdisziplin

Diese vier Fähigkeiten mit den Anforderungen von Malik zusammenzubringen, gilt als Königsdisziplin in Sachen Führung. Wer diesem Pfad folgen will, sollte sich klarmachen, dass es sich hier mehr um einen Marathon als um einen Sprint handelt. Gerade die o. g. vier Dimensionen stellen für Führungskräfte eine große Herausforderung dar. Die intensive Auseinandersetzung mit sich und seinen eigenen Emotionen ist dabei der erste und entscheidende Schritt in diesem Prozess und bei weitem kein einfaches Unterfangen.

„Weit gefehlt wer glaubt, dass das Zwei-Tageseminar eines Vortrags-Gurus oder das Lesen seines Fachbuchs ausreicht.“

Vor einem liegt ein langer Weg, quasi ein ganzer Lebens- und Entwicklungsprozess, durch den man sich zeitweise auch mal durchbeißen muss. Wie immer im Leben wird aber derjenige, der sich auf den Weg macht, schon bald feststellen, dass es mit der Zeit einfacher wird. Es wird sich eine gewisse Art der Routine einstellen und die ersten Früchte zum Ernten bereit stehen.
Und wer es am Ende beherrscht, mit seinen Emotionen umzugehen und sie bewusst und authentisch einzusetzen, der schafft es auch, sein Umfeld für sich und seine Ideen zu begeistern.

Ebenso, wie Jürgen Klopp.