Warum eignungsdiagnostische Verfahren für alle Beteiligten von großem Vorteil sind

Am Beispiel CAPTain Test

Eignungsdiagnostische Tools sollen Aufschluss über Persönlichkeiten und deren Leistungsverhalten im beruflichen Kontext geben. Sie werden im Rahmen von Bewerbungsprozessen eingesetzt und sollen die Eignung der Kandidat*innen für ein bestimmtes Jobprofil erkennen. Zum Beispiel in Assessment Centern oder Job Interviews.
Aber was ist dran an diesen Tools? Was bringen sie wirklich?

Guido Lysk bezieht Stellung als jemand, der sich tagtäglich mit diesen Themen beschäftigt

Herr Lysk, Sie wenden die Methode im Rahmen Ihrer Tätigkeit als Personalberater an. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Mit dem Test habe ich in der Tat die besten Erfahrungen gemacht. Es führt auf mehreren Ebenen zu Transparenz und Erkenntnis. Die wiederum sind sehr hilfreich für Unternehmen, die jemanden einstellen möchten. Das Gleiche gilt für Kandidat*innen, die auf der Suche nach einem neuen Job sind oder die sie sich beruflich neu ausrichten möchten. Eine Potenzialdiagnostik hat mehrdimensionale Vorteile und darum halte ich es für ein absolut sinnvolles Tool.

So können Fehlbesetzungen vermieden, zumindest aber reduziert werden. Und damit auch viel Geld gespart. Gleichzeitig kann sie Klarheit und Sicherheit verschaffen und das Thema Personalentwicklung unterstützen, die wiederum auf die Zukunft einzahlt. Besser gehts gar nicht.

Was genau ist eine Potenzialanalyse?

Eine Potenzialanalyse beschreibt das Motivationsverhalten von Proband*innen in bestimmten beruflichen Situationen. Damit können wir uns ein Bild über die Persönlichkeit und Arbeitsweise dieser Person machen. Über welche Grundeigenschaften verfügt sie? Dazu gehören Führungseigenschaften oder auch Teamfähigkeitseigenschaften, die sich natürlich im Arbeitsverhalten widerspiegeln. Wie schnell bin ich in meiner Entscheidungsfindung? Wie leicht fällt es mir, flexibel zu sein? Arbeite ich detailliert und gewissenhaft? Gehöre ich eher zu den Visionär*innen und entwickele gern Zukunftsbilder? Mit dem Test werden vorhandene Eigenschaften transparent aufgedeckt. Das ist sehr hilfreich. Besonders bei der Kandidat*innen Suche. Sie können sich vorstellen, dass eine Person im Vertrieb andere Eigenschaften mitbringen sollte als Buchhalter*innen. Das ist zwar ein triviales Beispiel, dafür aber eindeutig.

Sie arbeiten mit der Methode CAPTain Test. Was wird aufgedeckt?

Der CAPTain Test gibt keine Auskunft darüber, wo oder in welcher Position jemand arbeiten sollte. Aber er zeigt auf, welche Dinge uns leichter oder auch schwerer fallen. Es gibt Menschen, die sehr mobil sind und das auch mögen. Dann gibt es welche, die in der Anbahnung von Kontakten einfach sehr gut sind. Nicht zuletzt auch, weil es ihnen Spaß macht, andere Menschen kennenzulernen. Andere wiederum finden daran keine Freude und ziehen die Arbeit in ihrem bekannten und vertrauten Umfeld vor.

Natürlich kann ich diese Neigungen im Vorstellungsgespräch auch einfach abfragen. Aber nicht jedem sind die eigenen Eigenschaften und Vorlieben immer so deutlich bewusst. Erfahrungsgemäß kann sich jeder etwa zu 50 bis 80 Prozent selbst gut einschätzen und seine Eigenschaften formulieren. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass sie sich 20 bis 50 Prozent ihrer Eigenschaften nicht bewusst sind.

Diese sogenannten blinden Flecken sind nichts Ungewöhnliches. Dennoch sollte ich mich fragen, in welcher Ausprägung sie vorhanden sind. Sind sie nur marginal und nebensächlich oder von größerer Natur, die mir Probleme bereiten. Dann wäre es sinnvoll, etwas zu ändern. Vielleicht ist eine andere Tätigkeit, die meinen Eigenschaften besser entspricht, aber auch die erstrebenswertere Lösung.

Durch Potenzial-Tests wie das CAPtain-Modell, werden genau solche Themen transparent frei gelegt. Wir können auf diese Weise viel über uns selbst und unsere Veranlagung herausfinden.

Während meiner langjährigen Arbeit als Personalberater wurden bei vielen Kandidat*innen echte Aha-Erlebnisse ausgelöst. Das kam häufig vor. Es gibt Kandidat*innen, die nach der Analyse eine komplett neue Ausrichtung für sich gewählt haben. Sie sind in der neuen Aufgabe sehr glücklich geworden.

Was passiert mit den neu gewonnenen Erkenntnissen?

Natürlich können weder irgendein ein Tool noch Herr Lysk hier den richtigen Weg aufzeigen. Es geht einzig und allein um die eigene Erkenntnis und Klarheit, die Kandidat*innen durch das Testergebnis gewinnen. Diese Selbsterkenntnis kann zu der Überzeugung führen, den Prozess einer Persönlichkeitsentwicklung in Gang setzen zu wollen. Das ist äußerst wertvoll für Menschen. Meines Erachtens sollte das jeder alle 10 Jahre mal machen. Während oder auch nach dem Studium, nach den ersten 10 Berufsjahren und noch einmal 10 Jahre danach. Dann kann ich mir anschauen, ob sich meine Haltung zu bestimmten Themen heute im Vergleich zu vor 10 Jahren verändert hat. Im besten Fall werde ich feststellen, dass ich mich weiterentwickelt habe. Dass ich einige Eigenschaften weiter ausgebildet und andere vernachlässigt habe.

Was nicht gleich bedeutet, dass ich mich innerhalb von 10 Jahren komplett ändern werde. Aber ich habe die Chance, bestimmte Eigenschaften weiterzuentwickeln. Das Schöne ist hier, dass wir durch eine erhöhte Reflexionsfähigkeit, die in uns steckt, Entscheidungen in Zukunft besser treffen können. Das halte ich für einen hohen Mehrwert. Wenn wir jahrelang auf einer Stelle arbeiten, die zu 60 oder 70 Prozent auf uns passt, ist das ok und gut. Damit kann man leben. Aber wenn der Job zu 90 Prozent auf mein Persönlichkeitsprofil passt, dann ist das eine ganz andere Dimension. Dann stelle ich mir die Frage, warum muss ich auf 60 Prozent arbeiten, wenn 90 Prozent möglich sind? Und ich am Ende zudem viel glücklicher sein kann?

Macht es Ihrer Meinung nach einen Unterschied, ob Sie mit Mediziner*innen oder kaufmännischen Angestellten arbeiten?

Es gibt ein zugegebenermaßen recht provokantes Phänomen: Arbeitsmediziner*innen sind in der Regel beratungsresistent. Sie vertreten die Meinung, Persönlichkeitsentwicklung nicht nötig zu haben. (Lacht)

Nein, es gibt natürlich auch hier Ärzt*innen, die offen sind. Ich selbst habe bereits mehrere Coachings durchgeführt. Das waren Menschen mit massiven Problemen. Leider haben sie gewartet bis die Probleme so stark und groß wurden, dass sie verzweifelt einen Coach um Hilfe gebeten haben. Das ist nicht ratsam. Wenn sie den Schritt 10 oder 15 Jahre früher gegangen wären, hätten sie sich viel Not und Elend ersparen können.

Sicherlich müssen wir bei dieser Spezies berücksichtigen, dass Mediziner*innen schon in der Schule als intelligente Elite beschrieben werden. Sie lernen, dass sie weder Makel, noch Fehler, geschweige denn Defizite haben. Ich zitiere da gern Prof. Dr. Jörg Braun, Institut für Arztgesundheit, der das Gleiche bestätigt. Ärzt*innen sagen anderen Menschen wo die Probleme liegen und wie sie gelöst werden können. Um sich selber kümmern sie sich hingegen sehr wenig. Sowohl in physischer als auch psychischer Sicht.

Gerne stelle ich manchmal – scherzhaft gemeint – folgende These auf: Wer alles kann, kennt keine Restriktionen. Führen, kommunizieren und sonstige Probleme der Welt lösen: Ärzt*innen brauchen keine Unterstützung. 😉

Somit ist es mitunter nicht einfach, mit Ärzt*innen das Thema Persönlichkeitsentwicklung zu betreiben. Aber hin und wieder klappt es dann doch. Eigenschaften von Ärzt*innen unterscheiden sich nicht von Menschen aus anderen Berufsgruppen. Die Frage ist eher, bin ich als Ärzt*in bereit, diesen Schritt zu gehen und mich darauf einzulassen? Wenn Ärzt*innen krank sind, vermeiden sie in der Regel den Gang zu Kolleg*innen und präferieren die Selbstmedikation. Selbst in heiklen Situationen wie bei psychischen Störungen oder einem Konflikt scheuen sie die Klärung durch externe Berater*innen. Das ist für viele Ärzt*innen weder passend noch adäquat. All das wirkt wie ein Hemmschuh auf die eigene Entwicklung.

Was zeigt mir der Test? Was sind die Learnings und welche Konsequenzen sollte ich als Proband*in aus dem Testergebnis ziehen?

Ein CAPTain Test kann durchaus bestimmte Eigenschaften einer Persönlichkeit aufzeigen. Sind wir in unserem Sozialverhalten eher kommunikativ oder zurückhaltend? Neigen wir zur Kreativität oder ist uns Struktur wichtig? Welche Fähigkeiten bringe ich als Führungskraft mit? Und wie wirkt sich mein Verhalten auf meine Mitarbeitenden aus, die ich führe? Das muss ich mir genau anschauen. Es gibt unterschiedliche Ausprägungen und Lösungen. Darüber hinaus gibt es auch verschiedene Kombinationen, die mir als Proband*innen zeigen, wie ich wirklich agiere. Wie reflexionsfähig bin ich wirklich? In dem Test wird auch die Ausprägung meines Selbstbewusstseins gemessen. Verfüge ich über ein starkes Selbstbewusstsein, ist meine Reflexionsfähigkeit in der Regel schwächer ausgeprägt. Menschen mit einem schwächeren Ego, neigen dazu an sich selbst zu zweifeln und über sich nachzudenken. Weitere Themen sind die Kontaktfähigkeit, Fähigkeit zur Empathie oder auch die Konsensfähigkeit.

Solche Themen bringt der Test zum Vorschein, was sehr aufschlussreich sein kann. Vor allem, wenn ich Dinge über mich erfahre, die ich bisher anders eingeschätzt habe. Dann kann ich überlegen: Möchte ich es ändern oder weitermachen wie bisher? Möchte ich etwas ändern, kann ich mir die Unterstützung eines Coaches holen. Oder sogar eine Therapie starten. Dieser Weg nennt sich Persönlichkeitsentwicklung. Eine Entwicklung, an der oft über mehrere Jahre hinweg gearbeitet wird.

Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir uns die Frage stellen, ob wir das auch wirklich wollen. Persönlichkeitsentwicklung ist ein Thema, was uns berührt, weil wir uns intensiv mit uns selbst beschäftigen. Aber: Alle Dinge, die uns berühren, lösen etwas aus und bringen uns weiter im Leben. Es geht nicht um Kritik. Das hat noch nie jemandem geholfen. Es geht vielmehr darum, Dinge aufzuzeigen und die Schritte zu gehen und sie anzupacken.

Warum kommen Menschen auf die Idee solch einen Test machen zu wollen? Was sind typische Anlässe?

Einerseits werden sie von den Unternehmen initiiert. In bestimmten Berufsgruppen ist der Einsatz von Testverfahren dieser Art im Auswahlprozess von Kandidat*innen Standard. Es gibt keine 100 Prozent passenden Kandidat*innen. Es gibt nur Kandidat*innen, die in gewissen Eigenschaftsgruppen besser übereinstimmen und in anderen weniger gut. Als Kandidat*in hingegen muss ich mir die Frage stellen, ob ich das Geforderte noch entwickeln kann. Und viel wichtiger ist die Frage, ob ich es auch möchte. Oder wenn ich es nicht möchte, muss ich mir die Frage gefallen lassen, ob ich in dem zukünftigen Job gut aufgehoben bin. Das sind die entscheidenden Fragen, die wir uns stellen müssen. Ganz transparent. Wenn ich es aber möchte und bereit bin, an mir zu arbeiten, dann ist das für die Unternehmen etwas ganz Großartiges. Vorausgesetzt die fehlenden Eigenschaften sind entwickelbar. Denn: Wir finden nicht Mr. oder Mrs. Perfect, aber wir finden Mr. oder Mrs. Potential.

Potenzial-Kandidat*innen werden von dem Unternehmen meist gefördert – auch finanziell. Gemeinsam mit den Kandidat*innen wird an der gleichen Zielsetzung gearbeitet. Dadurch kommen intelligente und schlaue Arbeitsverhältnisse zustande, die gleichzeitig sowohl die eigene Zufriedenheit als auch die des Umfelds erhöhen.

Auch für Kandidat*innen gibt es verschiedene Auslöser, warum sie sich für einen CAPTain Test öffnen. Das sind in der Regel Probleme im Job, eine Kündigung oder auch Situationen, die für sie unangenehm sind. Wenn sie immer wieder mit den gleichen Problemen konfrontiert werden.

Wenn ich zum Beispiel immer und immer wieder in Konflikte mit meinen Kollegen*innen gerate. Und es nicht schaffe, etwas zu ändern. Aber genau das unbedingt möchte. Dann könnte solch ein Test der erste Schritt sein, zu schauen, woran es hapert. Warum ich nichts verändern kann. Ein anschließendes Coaching mit einem externen Profi ist zudem eine gute Ergänzung.

Denn: Die Diagnostik allein reicht natürlich nicht aus, damit sich die Dinge ändern. Es ist quasi der Startschuss für einen Veränderungsprozess, der mit Arbeit und manchmal sogar Schweiß und Tränen verbunden ist. Es geht darum, sich die Themen klar zu machen und diese dann auch zu klären. Ich kann es lernen, ich kann mich verändern und ich kann mich weiterentwickeln. Aber dafür brauche ich Zeit, den Willen und auch das Bewusstsein. Und dann funktioniert das auch.

Damit habe ich auch die Chance, meine alten Muster zu überlisten. Wir alle leben in Verhaltensmustern und sind durch diese Muster geprägt. Sie begleiten uns ein Leben lang und sind stark in uns verankert. Aber wir können lernen, sie zu erkennen. Dann haben wir die Möglichkeit, diese Muster zu beeinflussen und sie abzuwandeln oder manchmal sogar zu umgehen. Das ist schon die Königsklasse der Weiterentwicklung. Der Weg dorthin ist nicht leicht, es kann am Anfang sogar richtig wehtun. Aber weil ich meine alten Muster kenne, schaffe ich es meine alten Verhaltensweisen aufzubrechen. Vielleicht nicht in jeder Situation, aber in vielen Situationen. Das ist ein Mega-Erfolg.

Ich rate Menschen immer dazu, diesen Test einmal zu machen. Das Ergebnis ist hochinteressant, besonders für die Probanden*innen selbst. Meist lösen sie überraschende Aha-Effekte aus, die weitere Lernprozesse anstoßen und in Gang bringen.

Vielen Dank für das Interview!